Versammlungen der Gesellschafter, also Generalversammlungen bei der GmbH und Hauptversammlungen bei der AG, haben grundsätzlich unter physischer Anwesenheit der Gesellschafter stattzufinden. Beide, sowohl die Generalversammlung bei der GmbH (§ 36 Abs 2 GmbHG) als auch die Hauptversammlung der AG (§ 102 Abs 3 AktG), sind als Präsenzveranstaltung konzipiert. Zumindest einmal im Jahr hat eine ordentliche General- oder Hauptversammlung stattzufinden, in der (jedenfalls bei der GmbH, unter Umständen auch bei der AG) der Jahresabschluss festgestellt, über die Verwendung des Bilanzgewinnes entschieden und die (Nicht-)Entlastung von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen beschlossen wird. Gerade für Aktionäre ist die Hauptversammlung ein wichtiges Instrument der Mitbestimmung, da Aktionären – anders als GmbH-Gesellschaftern – kein jederzeitiges Auskunfts-, Informations- und Einsichtsrecht zusteht.
Um auf die Einschränkungen, die durch die COVID-19 Epidemie bedingt sind, zu reagieren, hat der Gesetzgeber mit dem 2. COVID-19-Gesetz Sonderregelungen für Gesellschaften geschaffen. Diese sind seit 22. März 2020 in Kraft und gelten befristet bis 31. Dezember 2020.
Versammlungen von Gesellschaftern und auch Organmitgliedern einer Kapitalgesellschaft, einer Personengesellschaft, einer Genossenschaft oder auch einer Privatstiftung können demnach auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt werden. Die Justizministerin hat in einer Verordnung noch näher zu regeln, wie solche Versammlungen abgehalten werden, um eine vergleichbare Qualität der Willensbildung zu gewährleisten. Technisch können solche Versammlungen ohne weiteres auch ohne Anwesenheit durchgeführt werden, etwa im Rahmen von (qualifizierten) Videokonferenzen oder Videochats. Ob Versammlungen auch über Telefon zulässig sind, bleibt noch abzuwarten.
Die Frist, innerhalb der bei einer AG eine ordentliche Hauptversammlung abzuhalten ist, wurde von 8 auf 12 Monate verlängert. Zumindest in bestimmten Konstellationen dürfte damit logisch zwingend auch die Frist zur Offenlegung des Jahresabschlusses einer AG entsprechend erstreckt sein.
Auswirkungen auf die Praxis
Für die Praxis stellen sich noch einige Fragen, deren Klärung abzuwarten ist. Zur ordentlichen Hauptversammlung ist der Abschlussprüfer zuzuziehen. Eine Zuschaltung des Abschlussprüfers über eine optische und akustische Zweiweg-Verbindung wird von Stimmen des Schrifttums für zulässig erachtet. Dennoch bleiben die Regelungen der vorgenannten Verordnung abzuwarten.
Fraglich ist auch, wie die vom Gesetz zwingend vorgesehene Protokollierung der Hauptversammlung durch einen Notar erfolgen kann. Mit entsprechendem persönlichem „Abstand“ von zumindest 1 Meter könnte der Notar das Protokoll auch ohne Sonderregelung errichten, wenn z.B. neben dem Notar nur der schriftlich Bevollmächtigte der Aktionäre (Stimmrechtsvollmacht) anwesend ist. Rechtsanwälte und Notare sind, soweit es um die Rechtspflege geht, derzeit von den Schließungsmaßnahmen ausgenommen, wenn entsprechend Vorkehrungen wie z.B. ein Sicherheitsabstand eingehalten werden. Dies wird allerdings nur für AG mit einem sehr kleinen Aktionärskreis praktikabel sein. Vorstand und Aufsichtsrat haben zwar „tunlichst“ bei der Hauptversammlung anwesend zu sein (§ 116 Abs. 2 AktG), aber die einschlägigen Bestimmungen des AktG zur gültigen Beschlussfassung stellen nur auf die Anwesenheit bzw. Vertretung sämtlicher Aktionäre ab und erfordern nicht zwingend auch die Anwesenheit (oder Ladung) von Vorstand und Aufsichtsrat. Für die Ausübung des Fragerechtes der Aktionäre müsste allerdings eine entsprechende technische Alternativlösung vorgesehen werden, da dieses Recht nur in der Hauptversammlung ausgeübt werden kann.