Sind Baustellen derzeit einzustellen?
Nein. Baustellen sind nach derzeitiger Gesetzeslage nicht einzustellen. Ob der Gesetzgeber dies ändern wird, bleibt abzuwarten. Zu prüfen ist allerdings, ob nicht auf Landesebene ein Landeshauptmann oder auf Bezirksebene die Bezirksverwaltungsbehörde in einer besonders betroffenen Region ein regionales Verbot erlässt. Das COVID-19 Maßnahmengesetz lässt derartige örtlich beschränkte Verbote zu.
Was ist für den Baustellenbetrieb zu beachten?
Auf Baustellen ist sicherzustellen, dass die vor Ort tätigen Personen wie Arbeiter, Planer oder Architekten, zumindest 1 m Abstand voneinander halten. Sollte dies nicht möglich sein, muss durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden. Diese Vorgaben gelten nicht nur für die eigentliche Arbeit selbst, sondern auch für Pausen- und Sanitärräume sowie die An- und Abreise zur bzw. von der Baustelle. Sind diese Voraussetzungen eingehalten, ist der Betrieb auf der Baustelle derzeit zulässig.
Darf der Auftragnehmer die Bauarbeiten einseitig einstellen?
Nach derzeitigen Stand wäre die Einstellung der Tätigkeit durch ein Bauunternehmen nicht zulässig. Gesondert zu prüfen ist allerdings, ob nicht in speziell betroffenen Regionen ein regionales Verbot (auf Landes- oder Bezirksebene) erlassen wurde.
Darf der Auftraggeber die Einstellung der Bauarbeiten einseitig anordnen?
Grundsätzlich ja. Ein Auftraggeber ist nach der allgemeinen Rechtslage jederzeit berechtigt, das Werk abzubestellen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Vertrag ausdrücklich Abweichendes vereinbart ist. Allerdings behält der Auftragnehmer in diesem Fall seinen Entgeltanspruch.
Etwas anderes gilt dann, wenn die Einstellung einer Baustelle behördlich angeordnet ist oder die für den Betrieb einzuhaltenden Anforderungen nach der COVID-19 VO Nr. 98/2020, nämlich 1 m Abstand zwischen den Arbeitern oder Einhaltung von Schutzvorkehrungen, aufgrund der Art der konkreten Bauarbeiten nicht eingehalten werden können.
Wer trägt die Mehrkosten, die aus den COVID-19 Beeinträchtigungen entstehen?
Das hängt von der vertraglichen Gestaltung ab. Als Grundregel gilt, dass der Auftragnehmer nur dann einen Anspruch auf das Entgelt hat, wenn er das beauftragte Werk herstellt und abliefert (§ 1170 ABGB). Unterbleibt die Herstellung des beauftragten Werkes, hängt der Entgeltanspruch davon ab, in wessen Sphäre das Unterbleiben einzuordnen ist. Nur dann, wenn der Umstand dem Auftraggeber zuzurechnen ist, behält der Auftragnehmer seinen Entgeltanspruch. Er hat sich allerdings das anrechnen zu lassen, was er sich durch das Unterbleiben der Vertragserfüllung erspart. Entstehen aus der Sphäre des Auftraggebers Behinderungen (z.B. Bauverzögerung, Forcierungsaufwand, organisatorischer Mehraufwand, etc.), die Kosten verursachen, hat er diese dem Auftragnehmer zu ersetzen.
Ohne spezifische vertragliche Regelung gilt nach der Gesetzeslage des § 1168 ABGB folgendes:
Auch die neutrale Sphäre ist dem Auftragnehmer zugeordnet. Unter neutraler Sphäre sind Umstände zu verstehen, die außerhalb des Einflussbereiches der Vertragsteile liegen (OGH 16.11.2009, 9 Ob 6/09 m), was auch Fälle höherer Gewalt und Elementarereignisse inkludiert, deren Auswirkungen nicht auf die Vertragsparteien beschränkt sind, sondern auch die Allgemeinheit betreffen.
Ist dem Bauwerkvertrag die ÖNORM B 2110 zu Grunde gelegt, trägt das Risiko der Auftraggeber. Nach Pkt. 7.2 sind Ereignisse, die (i) die vertragsgemäße Ausführung der Leistung objektiv unmöglich machen, oder (ii) zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren und vom Auftragnehmer nicht in zumutbarer Weise abwendbar sind, der Risikosphäre des Auftraggebers zugewiesen.
Dies wäre ein Beispiel für eine abweichende Regelung der Risikoverteilung. Aber auch ohne die ÖNORM B 2110 zum Vertragsbestandteil zu erheben, kann durch eine entsprechende Vertragsklausel oder Formulierung eine andere Risikogestaltung herbeigeführt werden. Wir empfehlen daher eine sorgfältige Prüfung jedes einzelnen Vertrages.
Besteht ein Rücktrittsrecht?
Ist die Beeinträchtigung nicht als dauerhaft einzustufen, sondern nur vorübergehend, und hindert dies den Auftragnehmer an der Erfüllung seiner Leistungen, liegt Verzug vor (§ 918 ABGB). Der Auftraggeber ist in diesem Fall berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, allerdings erst dann, wenn er dem Auftragnehmer eine angemessene Nachfrist gesetzt hat und innerhalb der Nachfrist die Leistung unterbleibt. Was konkret unter angemessen einzustufen ist, hängt sehr von den Umständen des Einzelfalles ab. Eine pauschale Bewertung ist nicht möglich.
Etwas anderes gilt dann, wenn das die Vertragserfüllung hinderde Ereignis als dauerhaft einzustufen ist. Es liegt dann, rechtlich betrachtet, ein Fall der nachträglichen Unmöglichkeit vor. Beruht die nachträgliche Unmöglichkeit auf einem Zufall, werden die gegenseitigen Leistungspflichten aufgehoben und weder Auftraggeber noch Auftragnehmer stehen wechselseitig weitere Ansprüche zu. Der Auftraggeber hat demgemäß keinen weiteren Anspruch auf Erfüllung und der Auftragnehmer verliert seinerseits den Entgeltanspruch. Einer Rücktrittserklärung bedarf es nicht.
Ist im Rücktrittsfall auch Schadenersatz zu leisten?
Hat der Auftragnehmer den Verzug verschuldet, so steht dem Auftraggeber ein Schadensersatzanspruch zu (§ 921 ABGB). Liegt das Hindernis hingegen außerhalb der Einflusssphäre des Auftragnehmers, so wird kein Schadensersatzanspruch bestehen, da der Schadensersatzanspruch immer an ein Verschulden geknüpft ist.