Haben Mieter, denen die Ausübung der Geschäftstätigkeit im Mietobjekt untersagt ist, ein Recht auf Herabsetzung des Mietzinses?
Wird ein Mietobjekt durch einen sogenannten „außerordentlichen Zufall“ zur Gänze unbrauchbar oder unbenutzbar, entfällt für den Mieter die Verpflichtung zur Entrichtung des Miet- oder Pachtzinses (§ 1104 ABGB). Das Gesetz zählt neben Krieg, Feuer, großen Überschwemmungen oder Wetterereignissen auch Seuchen ausdrücklich zu solchen außerordentlichen Zufällen, sodass die COVID-19 Pandemie in den Anwendungsbereich fällt.
Mit der COVID-19 VO Nr. 96/2020, die seit 16. März 2020 in Kraft ist, ist das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen wie auch von Freizeit- und Sportbetrieben untersagt. Dies zwingt vor allem Handelsunternehmen zur Schließung ihrer Geschäfte und Filialen. Ausgenommen von diesem Verbot sind einige explizit in § 2 dieser Verordnung genannte Betriebe und Unternehmen, wie z.B. Apotheken, Lebensmittelhandel, Drogerien, Banken, Tankstellen oder Kfz-Werkstätten.
Die Nutzung des Mietobjektes ist für die betroffenen Unternehmen in diesem Fall behördlich, und zwar unter Strafdrohung, untersagt. Der Grund dafür liegt nicht im Unternehmen des Mieters selbst (z.B. Auftritt von Salmonellen aufgrund inakzeptabler Hygienezustände), sondern aufgrund einer allgemeinen Seuche. Somit besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Mietzinsminderung.
Vorsicht: Es steht den Parteien des Mietvertrages frei, die Rechtsfolgen eines Ereignisses höherer Gewalt auch abweichend von der gesetzlichen Regelung zu vereinbaren (§ 1106 ABGB). Es ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, welche Bestimmungen der Mietvertrag enthält.
Um wie viel reduziert sich der Mietzins?
Das Ausmaß der Zinsminderung hängt davon ab, in welchem Ausmaß das Mietobjekt trotz der Einschränkung weiter benutzt werden kann. Kann das Mietobjekt überhaupt nicht mehr genutzt werden, kommt es zum gänzlichen Entfall der Mietzinszahlungspflicht. Sofern der Mieter das Mietobjekt zumindest beschränkt nutzen kann, reduziert sich der Mietzins verhältnismäßig (§ 1105 ABGB). Für Pachtverträge gibt es etwas abweichende Regelungen. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Mietzins zur Gänze entfällt oder nur anteilig. Wird das Mietobjekt sowohl zum Verkauf als auch als Lager oder zum Verkauf sowie als Büro genutzt, ist Vorsicht geboten. Eine gänzliche Reduktion wäre unter diesen Umständen unzulässig und könnte die Kündigung des Mietobjektes wegen Nichtzahlung des Mietzinses zur Folge haben.
Betrifft die Zinsminderung auch die Betriebskosten?
Die Zinsbefreiung umfasst neben dem Hauptmietzins grundsätzlich auch die Betriebskosten.
Muss der Mieter den Vermieter informieren?
Die Zinsbefreiung tritt ex lege ein. Sie ist somit nicht daran geknüpft, dass der Mieter den Vermieter über die eingeschränkte oder gar nicht mögliche Nutzung des Mietobjektes verständigt. Wir empfehlen Mietern aber dennoch, den Vermieter über die eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit zu informieren. Außerdem ist zu beachten, dass ein vorbehaltloses Weiterzahlen des Mietzinses in Kenntnis der eingeschränkten Benützbarkeit zu einem Entfall des Zinsminderungsrechtes führen kann.
Kann der Mieter vom Mietvertrag zurücktreten?
Die Judikatur gewährt dem Mieter bei Unbenützbarkeit des Mietobjektes ein Wahlrecht zwischen der Zinsbefreiung (oder Zinsminderung) nach § 1104 ABGB und Rücktritt vom Vertrag (§ 1117 ABGB). Der Vertragsrücktritt setzt aber voraus, dass das Mietobjekt über eine längere Zeit nicht benutzt werden kann. Welcher Zeitraum erforderlich ist, ist von Einzelfall zu Einzelfall zu beurteilen.
Besteht das Zinsminderungsrecht auch für Wohnungen?
Nein. Die COVID-19 Maßnahmen sehen keine Beschränkungen für die Nutzung von Mietwohnungen vor. Das Zinsminderungsrecht steht nur den Mietern von Geschäftslokalen zu, die durch die behördlich angeordneten COVID-19 Maßnahmen unmittelbar in der Nutzung ihrer Mietobjekte eingeschränkt sind.