Mehrkostenforderungen am Bau wegen COVID-19: neue Judikatur des OGH!
Ein Bauunternehmen forderte vom Bauherrn die Bezahlung von Mehrkosten, weil die im Zuge der COVID-19 Pandemie beschlossenen Maßnahmen erhebliche Mehraufwendungen verursacht haben. Konkret musste das Personal des Bauunternehmens auf der Baustelle einen Mindestabstand von 1 m einhalten, Desinfektionsmittel verwenden und Schutzmasken (Mund-Nasen-Schutz) tragen. Die Baustellenquartiere mussten von Doppelzimmer auf Einzelzimmer umgewandelt werden. Diese Maßnahmen hätten nicht nur Mehrkosten verursacht, sondern auch zu einem Leistungsabfall geführt. Der Bauwerkvertrag sah die Anwendung der Ö-Norm B 2110 vor. Auf diese berief sich das Bauunternehmen. Zur Höhe der Kosten holte das Bauunternehmen ein bauwirtschaftliches Gutachten ein, in dem die Mehrkosten aufgeschlüsselt waren.
Der OGH hat die Klage abgewiesen. Zunächst bestätigte der OGH die Auffassung des Bauunternehmens, dass das Risiko von COVID-19 bedingten Mehrkosten an sich in der Sphäre des Auftraggebers liegt. Dies liegt daran, dass die Vertragsparteien die Anwendung der Ö-Norm B 2110 vereinbart haben und Pkt. 7.2.1 alle Ereignisse, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren und vom Auftragnehmer nicht in zumutbarer Weise abwendbar sind, der Sphäre des Auftraggebers zuordnet. Die Folgen der Pandemie fallen bei Anwendung der Ö-Norm B 2110 in die Sphäre des Auftraggebers.
Der Bauunternehmer muss allerdings ganz konkret behaupten und auch nachweisen, welche konkreten zusätzlichen Kosten aufgrund von COVID-19 bedingten Erschwernissen tatsächlich angefallen sind. Kein geeigneter Nachweis ist die Vorlage eines bauwirtschaftlichen Gutachtens, das abstrakte Berechnungen ohne Bezug zur konkreten Baustelle vornimmt. Damit ist der Bauunternehmer verpflichtet, konkret anzugeben, wie viele Masken auf der Baustelle verbraucht worden sind, wie viele Arbeiter wie viele Tage auf der Baustelle tätig waren, in wie vielen Nächten wie viele Einbettzimmer statt Zweibettzimmer benützt werden mussten, usw. Aus Pkt. 7.4.1 Ö-Norm B 2110 folgt die Verpflichtung für den Bauunternehmer, die Mehrkostenforderung in prüffähiger Form vorzulegen. Unterlässt der Bauunternehmer solche konkreten Behauptungen, ist die Klage wegen Unschlüssigkeit abzuweisen.
OGH vom 21.12.2022, 6 Ob 136/22a